Nachbarschaftliches Netzwerk für den Norden

Artikel in der Eßlinger Zeitung vom 17. Juni 2020

Wäldenbronn/Hohenkreuz/Serach/Obertal: Ökumenischer Krankenpflegeverein und viele Ehrenamtliche engagieren sich für den Stadtteil

Der Ökumenische Krankenpflegeverein Esslingen-Nord kümmert sich mit vielen Ehrenamtlichen um ältere und unterstützungsbedürftige Menschen in den Stadtteilen: mit Besuchen und Gesprächen, mit Rat und Hilfen im Alltag, mit der Organisation von  Freizeitaktivitäten und gemeinsame Unternehmungen. Zu Beginn der coronabedingten Beschränkungen hat der Verein gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde St. Bernhardt zum Hohenkreuz, der katholischen Kirchengemeinde St. Josef und vielen Freiwilligen eine Einkaufshilfe für den Esslinger Norden gestartet. 

Daraus hat sich ein nachbarschaftliches Netzwerk entwickelt. Der Ökumenische Krankenpflegeverein Esslingen-Nord geht zurück auf den im Jahr 1909 im Wäldenbronner Gasthaus Hirsch gegründeten evangelischen Verein zur Versorgung von Kranken und Alten. „111 Jahre ist ein stolzes Alter, aber wir sind sehr beweglich und sehr flexibel, und wir sind gut in den Nachbarschaften im Stadtteil verankert“, sagt Pfarrer Christoph Schweizer von der evangelischen Kirchengemeinde St. Bernhardt, der auch Vorsitzender des Krankenpflegevereins ist.



Pfarrer Christoph Schweizer, Barbara Schmid, Sofia Micko (von links) und etliche Ehrenamtliche kümmern sich um ältere Menschen im Esslinger Norden.
© Foto: Peter Stotz

Zeit für Gespräche

Wie Barbara Schmid erzählt, die als Hauptamtliche beim Verein sämtliche Angebote koordiniert, ist diese Verankerung auf die Vereinstradition des ehrenamtlichen und des solidarischen Engagements in den Stadtteilen zurückzuführen. Zudem hätten das Besuchen und das Begleiten, einfach Zeit zu haben und menschliche Zuwendung zu zeigen „mit Religionszugehörigkeit nichts zu tun“, betont sie. Die Angebote des Vereins sind weit gespannt. Zentral dabei ist der Besuchsdienst. Ehrenamtliche bringen Zeit für Gespräche, zum Vorlesen und für Spaziergänge mit. Beratungen zu Fragen rund um das Thema „Älterwerden zuhause“ gehören ebenso dazu wie Vorträge oder im Bedarfsfall auch die Vermittlung einer professionellen Unterstützung. Große Bedeutung haben die Ausflugsangebote des Vereins. „Unsere Stadtranderholung wird sehr stark nachgefragt. Die Teilnehmer sind Senioren, durchschnittlich 85 Jahre alt, die allein leben und das auch so wollen, die aber ebenso gemeinsam mit anderen etwas erleben möchten“, erklärt Schweizer. Dieser sogenannte „Urlaub ohne Koffer“ sind drei von Freiwilligen gestaltete Tage beim Jägerhaus mit Freizeitgestaltung, Gymnastik, Spielen und Gedächtnistraining sowie einem Restaurantbesuch. Geschlafen wird bei „Urlaub ohne Koffer“ zuhause.

Auch eine Wandergruppe für Menschen mit und ohne Demenz, Ausflüge und Stadterkundungen werden angeboten. Wegen der Corona-Beschränkungen war zuletzt das gesamte Angebot ausgesetzt. „Aber wir können nun fast alles wieder anbieten, wenn auch nur in Kleingruppen. Wir wollen schließlich die Menschen nicht noch mehr isolieren“, sagt Schmid. Viele der Gäste hätten in den vergangenen Wochen körperlich und mental abgebaut. „Wir haben sie jetzt wieder rausgeholt“, berichtet sie. „In dieser Situation hat sich unsere gute Verankerung bewiesen“, erzählt Schweizer. Viele Menschen hätten sich mit dem Wunsch zu helfen gemeldet und Unterstützung angeboten. Die große Hilfsbereitschaft hat auch Ehrenamtliche wie Sofia Micko inspiriert. 

Gemeinsam mit einigen weiteren Freiwilligen aus dem Krankenpflegeverein machte sie sich Mitte März daran, einen Einkaufsservice für ältere und besonders infektionsgefährdete Bürger auf die Beine zu stellen. „Wir knüpfen ein Netz für den Norden – diese Idee ist schnell entstanden. Wir wollten eine Nachbarschaftsaktion und möglichst Patenschaften für ältere Menschen aufbauen“, erzählt Micko. In der Folge wurden Postkarten mit Informationen über den Einkaufsservice produziert, mit denen Konfirmandinnen und Konfirmanden der evangelischen Kirchengemeinde 1300 Adressen im Stadtteil versorgten. Innerhalb kurzer Zeit standen rund 50 Freiwillige als Einkäufer bereit. Micko und eine weitere Ehrenamtliche koordinierten den Einsatz der Einkäufer. „Es sollte nachbarschaftlich aufgebaut sein, wegen der kurzen Wege und damit ein enger Kontakt gewährleistet werden konnte“, erzählt sie. Dies war ein voller Erfolg.

„Das System der engen Nachbarschaft hat die Menschen zusammen gebracht. Jetzt wissen Leute voneinander, die zwar nebenan wohnen, die man aber nicht gekannt hat. Viele Nachbarn sind sich nahe gekommen, Freundschaften sind entstanden. Das war eine schöne Erfahrung“, freut sich Micko. Christoph Schweizer, Barbara Schmid und Sofia Micko sind davon überzeugt, dass das nachbarschaftliche Netzwerk über die Corona-Pandemie hinaus Bestand hat. „Das Patenschaftsmodell hat viel zur Nachhaltigkeit der Sache beigetragen. Erstaunlich viele junge Leute sind mit Begeisterung dabei und die Senioren wissen, dass es nach Corona weitergeht, wenn auch in anderer Form. Das Nachbarschaftsnetz trägt“, stellt Micko fest.